Hallo nach Deutschland,
es ist mehr oder weniger Transfertag. Wir fahren heute von Udaipur noch Jodhpur. Auf gerader Linie sind das wieder nur ca 250 Kilometer. Also auf heimischen Autobahnen in zwei Stunden zu bewältigen. Aber die gibt es hier halt nicht. Die Autobahnen sind hier eine einzige Baustelle. Und selbst die Autobahnen auf denen gerade nicht gebaut wird enthalten Bauruinen, jede Menge Löcher und alles andere als eine gerade Fahrbahn. Aber über die Autobahnen und das man dafür zahlen muss hatte ich mich ja schon mal ausgelassen.
Deswegen sei an dieser Stelle aber auch einmal die Ausnahme erwähnt. Die Express-Straße die uns aus Udaipur heraus in die Berge führt ist etwas das ich hier nicht mehr erwartet hätte. Eine fast leere Straße ( es ist noch Morgens direkt nach Diwali, da wird der ein oder andere dann doch noch im Bett liegen und nicht seiner normalen Tätigkeit nachgehen ) die fast sauber und zudem Lochfrei geteert ist. Die Straße hat an den meisten Stellen Leitplanken – etwas das ich in diesem Land vermeindlich noch gar nicht gesehen habe – und die Straße hat aufgemalte Fahrbahnmarkierungen samt Reflektoren an den Fahrbahnaußenkanten. Eine Straße die auch in Europa selten so gut und sauber vorkommt. Da muss doch ein Deutscher für verantwortlich gewesen sein …
Auf unserer Fahrt von Udaipur nach Jodhpur machen wir aber dennoch einen Zwischenstopp. Wir fahren nicht ganz direkt sondern nehmen einen kleinen Umweg in kauf um den Tempel in Ranakpur zu besuchen. Um dort hinzugelangen geht es schon durch ein kleines Gebirge. Unser Fahrer fühlte sich schon ein wenig zu Hause. In seinem Dorf sähe es auch so aus. Und in der Tat sind wir hier schon ein wenig in den Bergen. Wären die Straßen nicht so wie die Straßen sind und würden die Leute nicht fahren wie sie fahren würde ich fast sagen, dass das eine tolle Motorrad- Strecke gewesen wäre. Die Aussicht ist auf jeden Fall grandios. Im Vergleich zu den Gegenden bis Udaipur, in denen wir weitgehend flaches Land und viel Sand und Lehmboden haben, ragen hier nur grüne Berge links und rechts von einem tiefen Tal in den Himmel. Unsere kleine, nein eher winzige, Straße schlängelt sich an einem der Berge durch den Wald. In der Ferne man schon den weißen Tempelkomplex aus Marmor erkennen. Er strahlt regelrecht aus dem grünen Bergen heraus.
Der Ranakpur Jain Tempel oder auch Chaturmukha Dharana Vihara ist ein Jain Tempel. „Im Chaumukha-Tempel ist der Zentralraum zu den Vorhallen nach allen Seiten offen und hell. Es wird kein Gott verehrt, sondern vor einem der Tirthankaras, der als Vorbild angesehen wird, da er die erstrebte Vollkommenheit bereits erlangt hat meditiert. Dafür braucht es keinen Brahmanen wie im Hindutempel, der als Vermittler das Ritual vollzieht. Tirthankaras sind „befreite“ Heilige, deren tatsächlich vorgestellte Anwesenheit im Standbild dessen Fotographieverbot verständlich macht. In derselben Bauform gibt es zahlreiche weitere Tempel geringerer Größe, die jährlich im Oktober/November von Pilgern aufgesucht werden.“ (Quelle: Wikipedia). Der Jainismus verehrt also die Menschen die sich von allen irdischen Zwängen befreit haben. Der Tempel wurde bereits im 15 Jahrhundert errichtet und stellt die 24 Tirthankaras in den Mittelpunkt. Jeder Jain muss sich den folgenden Regel unterwerfen:
- Ahimsa (Ablassen von Töten und Verletzen von Lebewesen)
- Satya (Verzicht auf nicht wahrheitsgemäße Rede)
- Asteya (sich nicht an fremdem Eigentum vergreifen)
- Brahma (keine unkeuschen Beziehungen eingehen)
- Aparigraha (nur lebensnotwendige Güter besitzen)
Der Tempel selbst ist eines der imposantesten Bauwerke die ich je gesehen habe. Nicht aufgrund der einfachen Größe aber aufgrund der quasi eingebauten Ehrfurcht. Der Tempel selber ist ca. 70 mal 70 Meter groß. Die symmetrische Dachkonstruktion ruht auf insgesamt 1444 Marmorsäulen, von denen jede komplett individuell gestaltet ist. Es gibt keine zwei gleichen Säulen in dem Bauwerk.
Auch wenn der Tempel relativ abgelegt ist, ist es ein Must-See. Deswegen finden sich natürlich relativ viele Touristen hier. Aber zu den Feiertagen natürlich auch viele Tirthankara Anhänger. Der Tempel darf nur mit langen Hosen betreten werden. Das ist nicht bei allen anderen Tempeln der Fall. Dort geht man weit lockerer damit um. Und man darf fotografieren ( gegen eine kleine Extra-Gebühr von 1,10 EUR ). Aber nicht den inneren Teil des Tempels. Was man natürlich völlig verstehen kann. Hier wird heute auch aktiv gebetet. Die strengen Jainen tragen dabei sogar ein Mundschutz. Der Mundschutz verhindert, dass man etwas kleine Tiere einatmet und so aus versehen tötet. Sie fegen sogar teilweise vor sich den Weg frei um nicht aus Versehen auf etwas draufzutreten und so das erste Gesetz „Ablassen von Töten und Verletzen von Lebewesen“ zu erfüllen.
Heute im Tempel haben wir aber das erste mal keinen richtigen Guide. Unser Fahrer bringt uns noch bis zum Tempel und kauft uns die Tickets sowie den Audio-Guide. Man kommt sich wirklich manchmal etwas doof vor, das einem so alles abgenommen wird. Man geht wirklich mit einem sehr ehrfürchtigen Gefühl wieder aus dem Tempel. Wenn man sich überlegt, wie lange und mit welchen Mitteln man im 15 Jahrhundert diesen Tempel erbaut haben muss. Außerdem steht hier nicht gerade ein Marmorberg direkt neben dem Tempel.
Unsere Fahrt geht weiter. Wir haben noch ein paar Stunden vor uns. Die Straßen werden glücklicherweise wieder etwas flacher und führen nicht mehr durch die Berge. Diese Kurven sind für mich nur am Lenker eines Motorrads angenehm. Nicht auf der Rückbank eines Toyota Etios ( übrigens das gleiche Auto, dass wir auch in Namibia hatten ).
Trotz des Tempels und der Strecke kommen wir heute ganz entspannt um 16:30 Uhr in unserem Hotel in Jodhpur an. Leider nicht ganz im Zentrum, aber ok. Heute haben wir einen lokalen Representative. Der so eher keinen Bock auf seinen Job hat. Aber hey. Wir sehen den ja eh nicht wieder. Das Zimmer hat eine ordentliche Größe und sogar das Badezimmer ist mal sehr angenehm geputzt und nicht heruntergekommen. Aber irgendwas ist ja immer. Z.B. der angenehm muffige Geruch. Ganz so frisch ist auch dieser Landen nicht mehr. Und besser noch, das Fenster kann man nicht auf machen.
Irgendwie sind in quasi allen indischen Hotels bisher auch immer die Vorhänge zugezogen gewesen, so dass man nicht nach draußen gucken konnte, wenn man das Zimmer betritt. Dafür sind immer alle Lichter an wenn man in das Zimmer kommt. Das bei gleichzeitiger Aufstellung der Schilder „Bitte sparen sie Wasser und Energie“. An vielen Stellen mag das Sinn machen, damit die Sonne das Zimmer nicht zu sehr erhitzt. Ok. Es gibt dann aber noch die Fälle wie im Ranthambore National Park, dass die Fenster nach hinten raus auf die Quartiere der Angestellten zeigten. Wenn man beim Zähneputzen aus Langeweile einfach mal den Vorhang zur Seite zieht und es duscht sich gerade ein fast nackter Typ mit einem kleinen Litermaß vor deinem Fenster ab, dann ist das ein guter Grund für Vorhänge. In diesem Fall ist das Fenster von außen mit jeder Menge blinken LED Leuchten behangen. Es ist ja Lichterfest. Das Geflackere ist aber schon so eine Sache für sich. Man bekommt die Vorhänge schon ganz gut verteilt. Aber ganz schließen, sodass es im Zimmer nicht mit blinkt klappt nicht.
Wir beschließen dem Hotel-Restaurant kein Vertrauen zu schenken. Der Reiseführer spricht von einem guten Rooftop Restaurant in der Stadtmitte. Hier braucht man immer nur einen Schritt vor die Tür eines Hotels setzen. Wenn man nicht einen Fahrer schon an der Seite hat, dann wirst du auf jeden Fall von einem Tuk-Tuk Fahrer angesprochen. Wichtig: Erst das Ziel klären ob er das auch kennt. Dann den Preis klären. Ein guter Preis sind 50 iR pro Kilometer. So als grobe Faustregel. Das sind so 60 Cent pro Kilometer. Das kann man aber immer noch verhandeln. Man muss eigentlich sogar verhandeln. In der Regel wird nämlich ein zu hoher Preis genannt. Wenn man sich nicht einigt, dann einfach gehen. Dann kommt schon noch der richtige Preis.
So kommen wir aber mit der üblichen Abenteuerfahrt bei unserem Restaurant an. Und mit einem wundervollen Blick auf die erleuchtete Burg die wir morgen besichtigen werden zur einen Seite und der Stadt, in der viele Feuerwerkskörper zum Fest abgefeuert werden und so ständig Feuerwehr den Himmel erleuchtet zur anderen Seite, gibt es sehr gutes Essen. Und selbst wenn man in diesem sehr guten und für indische Verhältnisse sehr teueren Restaurant essen geht, kommt man für 2 Personen inkl. Getränke nicht über 20 EUR für einen Abend.
Später geht es dann wieder per Tuk-Tuk zurück zum Hotel. Tuk-Tuk Fahrer ist auch ein interessantes Geschäft. Nicht nur, dass es Unmengen von Fahrern gibt. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass die irgendwie Gewinn einfahren, so viele Personen kann es nicht zum befördern geben. Es ist auch so, dass nicht jeder immer Arbeitswillen zeigt. Wie häufig sieht man die Kollegen in ihrem Gefährt liegen und schlafen. Wenn man gerade auf eine Kolonne von Fahrzeugen zu läuft dann wird man gleich mal von einem Fahrer an den nächsten verwiesen. Man unterhält sich schließlich gerade mit den anderen, nicht arbeitenden Fahrern. Man scheint aber auch untereinander immer sehr kollegial zu sein. Wenn man selber das Ziel nicht kennt, dann wird die Fuhre an den Kollegen weiter gereicht, der weiß wohin es geht.
Wir kommen auf jeden Fall in unserem Muff an. Für heute reicht es aber auch. Trotz der langen Fahrt war der Tag lang und das Bett ruft.
Morgen geht es dann geführt in und durch die Stadt. Wir werden sehen was der Tag bringt.
cheers,
Sebastian
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