Hallo nach Deutschland,
es ist Tag zehn unserer Reise durch Indien. Wir sind in Jodhpur im Norden Indiens, im Bundesland Rajasthan. Die Stadt wird auch „Die blaue Stadt“ genannt. Gerade im alten Stadtzentrum sind viele Häuser mit blauer Farbe gestrichen. „Traditionell kennzeichnete die Farbe Blau die Zugehörigkeit der Bewohner zur Kaste der Brahmanen, allerdings haben heute auch Nicht-Brahmanen diesen Brauch übernommen. Man sagt der Farbe nach, dass sie ein effektives Mittel zur Abwehr von Moskitos sei.“ ( Quelle Wikipedia ).
Unser Hotel hier haben wir ja bereits gestern Abend bezogen. Die erste Nacht haben wir in dem leicht muffigen Zimmer gut überstanden. Nicht so richtig gut überstanden haben wir das Frühstück. Man kann zumindest nicht sagen, dass wir nicht das volle lokale Erlebnis geboten bekommen würden. Denn außer uns sind am Frühstücksbuffet und Inder. Keine andere Touristen. Was ja grundsätzlich erstmal gut ist. Die Geschmäcker sind ja nun mal verschieden. Und mein Geschmack kommt noch nicht so richtig gut mit einem Linsen-Masala zum Frühstück klar. In den bisherigen Hotels gab es wenigstens immer noch ein paar Pancakes. Das gab’s hier leider nicht. Der Toaster stuckt den Toast auch nur auf den Tisch, danach möchte ich auch den nicht mehr essen. Kalte Milch zum Müsli gibt es auch nicht. Deswegen besteht das Frühstück jetzt aus Pommes mit Ketchup. Die gibt es hier nämlich auch.
Wir treffen unseren Guide in der Lobby. Der kräftigste Inder den ich bisher bewusst wahrgenommen habe. Und in der Tat gibt es hier deutlich mehr große Inder als noch bisher. Groß ist immer noch relativ. Ich bin immer noch die mit Abstände größte Person im Raum vermutlich der Stadt. Aber man kommt sich nicht mehr ganz so komisch wie in Dehli vor. Man wird aber immer noch von allen angeguckt. Zurück zum Guide: Er spricht eigentlich gutes Englisch, nuschelt das aber sehr in seinen Bart. Das erste Ziel des Tages ist das Mehrangarh Fort. Die befestigte Palastanlage liegt 124 Meter über der Stadt auf einem Hügel. Die Anlage geht zurück auf das 15. Jahrhundert. Wir besichtigen den Palast. Auch hier wurden nicht alle Palastteile durch einen Herrscher erbaut, sondern immer wieder erweitert, sodass unterschiedliche Gebäudeteile unterschiedliche Baustile und Materialien aufweisen.
Wir haben Glück und sind rechtzeitig da. Als wir die Anlage verlassen ist die Schlange an dem einen 6-Personen fassenden Fahrstuhl schon sehr lang. Es gibt gerade viele einheimische Touristen die zum Festival bei der Familie vorbei schauen und dann nochmal die Festung besuchen.
Weil die Stadt nicht so groß ist und die Festung auch nur Endliches zu bieten hat werden wir geduldig an jedes Exponat herangeführt und wir bekommen alles erklärt. Wie schön doch dieser Teppich hier ist und da ist ja sogar noch ein Kilo Gold eingewoben. Und der Teppich. Und der andere Teppich da drüber auch. Und hier ist noch ein Messer und da ist noch ein tolles Bild. Vieles ist natürlich wirklich interessant. Und wahrscheinlich kann dieser Mann auch nicht anders. Denn wie er uns erzählt hat er sieben verschiedene Master Titel. Alles grob um das Thema Tourismus. Außerdem hat er seinen Doktor in Tourismus und ist nun Professor für das Fach und bildet hier quasi alle Guides und Hotelfachleute aus. Es kennt also jeden auf der Straße wenn wir hier an irgendeinem Touristenpunkt vorbei gehen. Er arbeitet noch 1-2 Tage pro Woche als Guide. Ansonsten unterrichtet er. Aber wie macht man den bitte schön 7 Master Titel und einen Doktor? Das kann man doch in Indien gar nicht finanzieren. Die Studenten bildet er aber teilweise nur 2 Semester aus. Das würde ich dann noch nicht als Master bezeichnen.
Nächster Stopp: Jaswant Thada. Das ist ein sehr großzügiges Grabmal für Maharadscha Jaswant Singh II. Der Maharadscha hatte die Eisenbahn eingeführt und auch ein öffentliches Krankenhaus. Seit dem wird das Grabmal auch von vielen Hilfesuchenden bei sozialen Themen aufgesucht. Sie bitte ihn als Schutzheiligen für Gesundheit oder ähnliches Problemen.
In dem Palast bin ich vor einer alten richtig toll verzierten Holztür stehen geblieben. Unser Guide fragte mich aus Spaß ob ich so eine auch gerne zu Hause haben würde. Klar meinte ich. Aber sowas macht ja heute keiner mehr oder es ist nicht bezahlbar. Da meinte er, es gibt hier Läden die genau diese alten Türen verkaufen …. und schon landen wir etwas später in so einem Laden. Die verkaufen zufällig auch neue Textilien. Und die produzieren scheinbar auch für sehr teuere Labels hier. Zumindest behaupten die das. Man zeigt uns eine kleine Auswahl an Decken verschiedener Qualitäten und später auch die Preise dazu. Der Seidenschal den die angeblich für Armani produzieren, den Armani für 1000 EUR verkaufen soll, der soll hier nur 20 EUR kosten. Dann gibts noch das Kaschmir Tuch von Wasauchimmer den man für 2000 EUR verkauft und hier für 90 EUR bekommen kann. Dann kommt das absolute Highlight der Kollektion. Das Yak-Wolle Tuch, das Hérmes für 4000 EUR verkauft. Das kostet hier nur 120 EUR. Die Frauen die das herstellen machen immer ein paar extra. Aber das Design kommt von den Hérmes Designern. Deswegen hat er hier nur ein paar einzelne Exemplare. Dann kommen diese einzelnen Exemplare aber doch in ganz unterschiedlichen Farben und Mustern auf den Tisch … komisch. Stories hauen die hier raus … Über die Echtheit und Qualität der Materialien kann ich nicht viel sagen. Die Stoffe fühlen sich schon toll an. Aber auch hier gilt: höchsten den halben Preis bezahlen, von dem was angegeben wird. Und wenn man dann einmal nach „Hérmes Yak Wolle“ googelt, dann kommt vor allem Bilder aus dem Shop und tolle Stories auf Trip Adviser zu genau dem Laden, aber nichts von Hérmes.
Nebenbei: Eine Tür kostet ca. 1500 EUR zzgl. Verschiffen. Und das würde ich bei der nächsten Indienreise mit einem Haus in die so eine Tür rein passt auf jeden Fall auch dafür bezahlen. 50% davon zumindest.
Der letzter Halt der geführten Tour war der zentrale Marktplatz mit seinem Glockenturm Ghanta Ghar. 3 Millionen Rupien soll er gekostet haben. 1 Million für den Bau. 1 Million für die Uhr im Glockenturm und 1 Million Schutzrechte an die Briten von denen die Uhr und das Uhrwerk sind. Und tatsächlich klingt der Turm quasi schon britisch.
So richtig richtig viel Tourismus aus dem Westen gibt es hier nicht. Wie viele Locals hier also wirklich richtig einkaufen und wieviel hier nur Tourismus Abzocke ist, auch was Inlandstouristen angeht lässt sich schwer sagen. Am Abend sind wir nochmal zu Fuß in die Stadt. Da kommt man noch durch so einige kleine Seitenstraßen. Hier gibt es Läden für wirklich alles. Ich gehe mal davon aus, dass wenn man etwas billig haben will, dann geht man hier hin. Obwohl das tatsächlich meistens wirklich speziellere Dinge sind. Auf dem großen Markplatz gibt es viel Textilien ( das geht sicher sehr gut mit den Touristen ) aber auch direkt angeschlossen den Gemüsemarkt. Da denke ich schon, dass hier der Einheimische einkaufen wird.
Es ist spannend und erschreckend zu gleich was es hier alles gibt. Der Gemüsemarkt geht klar. Nebenan gibt es den alten Bauernmarkt. Früher haben hier die Bauern vom Land morgens ihre frischen Waren verkauft. Mittags war Schluss. Dann wurden direkt vor Ort noch die Steuern bezahlt. Heute sitzen auch noch ältere Händler hier die mit Saat oder das Gleiche als Vogelfuttern handeln. Hier wird noch mit einer Ausgleichswaage und Gegengewichten abgemessen und berechnet.
Es gibt aber auch kleine Läden mit 5 Liter Kanistern Öl. Oder Läden mit Gummischläuchen für jeden Gebrauch. Und gefühlt jeder zweite Laden ist mehr so eine Art Kiosk. Es gibt alles in der Auslage. Häufig sind das vor allem kleine Tüten Snacks verschiedener Sorten. Keines dieser Dinge würde mich ansprechen. Und vor allem gibt es das alles in zig Läden alle 10m. Man sieht viele ( im Grunde ausschließlich Männer ) die hier hinter ihrem Tresen oder in einem Plastikstuhl vor ihren Laden sitzen und Warten und nichts tun. Vermutlich den ganzen Tag. Und das scheint an sehr sehr vielen Ständen hier der gängige Alltag zu sein. Man wartet mit einem schlechten Produkt und einer sehr großen Konkurrenz auf Umsätze von vielleicht 10 oder maximal 20 Rupien. Also wirklich einzelne Cent-Beträge. Das kann doch nicht funktionieren …
Mit dem offiziellen Teil sind wir für heute durch. Es geht zurück zum Hotel. Da können wir uns nochmal frisch machen ein paar Minuten die Füße hoch legen. Abendessen werden wir ganz bestimmt nicht hier im Hotel. Wir gehen zu Fuß in die Stadt. Nochmal in das gleiche gute Restaurant wie gestern. Nur eben hin laufen und dann zurück fahren. So sieht man auch mal die kleinen Gassen durch die dich der Guide nicht mit nimmt. Und man sieht das Leben abends auf der Straße. Hier scheinen die einzigen Läden mit richtigem Umsatz zu sein. Die Straßenrestaurant und kleine Imbiss-Buden. Hier steht draußen auf dem Gehweg die dicken schwarzen Pfannen die seit 10 Jahren jeden Abend gleich beflammt werden und daher schon eine dicke schwarze Schicht aus Ruß und Fett angesetzt haben. Dadrinnen brutzeln irgendwelche Teigtaschen und werden richtig schön fettig frittiert. Dazu gibt es dann irgendein Masala das in den gleichen Pfannen gemacht wurden. Es riecht lecker. Sieht voll lecker aus. Und ich fass das besser nicht an, wenn ich keinen Darmdurchbruch kriegen will.
Wir essen wieder gut. Aber heute Abend ist der Service eher unter aller Sau. Vielleicht haben wir einfach nur einen Tisch in der falschen Ecke bekommen. Zurück per Tuk Tuk zum Muff-Hotel. Morgen früh geht es entspannt weiter. Nach Jaisalmer. Das ist schon fast in Pakistan.
Ich weiß gar nicht ob ich das mal erwähnt hatte, aber hier laufen wirklich überall Kühe umher. Auf dem Land auf den Feldern ist das normal. Auf dem Land auf der Straße wäre das bei uns ein Versehen. Aber auch mitten in der Stadt stehen die Tiere überall rum. Meistens in den Müllbergen am Straßenrand um nach Essen zu suchen. Die Tiere liegen aber auch mitten auf der Straße oder in einem Kreisverkehr. Und das ist hier völlig normal und keinen stört es. Die Tiere haben sich auch schon so an den Lärm gewöhnt. Jeder bremst auch für die Tiere. Und Kühe sind die einzigen die hier nicht angehupt werden. Die dürfen machen was sie wollen und jeder weicht ihnen aus. Hunde, Menschen und Autos werden gnadenlosen und unverhältnismäßig angehupt. Für Kühe wird gebremst und man lässt sie passieren. Die Tiere gelten bei den Hindus als unantastbar. Sie werden verehrt ( aber nicht angebetet ). Der Stier ist das Reittier von Shiva. Aber auch ganz praktisch versorgen Rinder die Landwirte mit allem was sie brauchen: Arbeitskraft, Milch, Kleidung. Aber die Tiere hier so in den Müllbergen fressen zu sehen, oder eben mitten auf der Straße liegend ist schon befremdlich.
cheers.
Sebastian