Hallo nach Deutschland,

als wir uns die Reise zusammengestellt haben gab es da diesen Baustein „Eine Nacht auf einem Hausboot in den Backwaters“. Da klang schon die Überschrift gut und der Preis war nicht unverschämt. Also wurde das mit gebucht. Jetzt weiß ich, dass ich nächstes Mal auf jeden Fall auch das Kleingedruckte lesen muss. Nicht weil es auch nur im Geringsten Etwas auszusetzen gab. Nein, vielmehr weil das schon eine Dekadenz erreicht die mir schon fast peinlich ist.

Bei einer Nacht auf dem Hausboot hatte ich viel mehr an die Hausboote gedacht, die es eben auch bei uns gibt. Also wirklich mehr schwimmende Häuser die ein paar Zimmer haben, die auf dem Wasser schwimmen, dabei insgesamt aber eher statisch im Wasser liegen. Das entspricht aber nicht dem was hier unter Hausboot verstanden wird, bzw. meine Annahmen waren einfach falsch.

Nachdem wir gut 1,5 Stunden gefahren wurden kamen wir an einer Brücke über Fluss. Links und rechts der Brücke lagen schon relativ viele Hausboote dicht an dicht im Wasser. So dicht an dicht wollte ich eigentlich nicht übernachten …

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… aber das muss man auch gar nicht. Denn die Hausboote liegen hier so gar nicht fix am Ufer einfach nur im Wasser sondern sind ziemlich fahrtüchtige Boote. Die ersten Boote fuhren nämlich bereits den Fluss hinunter.

Die Hausboot sind gar nicht ganz so kleine ehemalige Lastkähne. Eine Bambuskonstruktion bildet ein Runddach über dem Boot und ist mit Reet bedeckt. Die Boote haben unterschiedliche Größen sind aber ansonsten im Grunde alle gleich im Grundaufbau. Die kleinere Boote sind vielleicht 20 Meter lang. Die Größeren erreichten auch mehr als 30 Meter und können auch ein zweites Stockwerk haben. Bis zu 10 Zimmern sollen die Hausboote haben können.

Direkt hinter der Brücke fahren wir ab. Auf einem Parkplatz stehen ein paar Häuser der Bootsverleiher und bereits jede Menge andere Gäste, die hier von ihren Fahrern abgeliefert werden. Unser Fahrer geht los und kommt wenige Minuten später mit einem weiteren Herren zurück die uns zusammen zu unserem Hausboot bringen.

Wir müssen erst noch über zwei andere Boote gehen um zu unserem Hausboot zu gelangen, das in dritter Reihe liegt. Unser Hausboot ist eines der kleineren Boote. Es hat nur zwei Zimmer und einen größeren Außenbereich im vorderen Drittel.

Wir waren die ersten Gäste auf dem Boot. Und wie sich wenige Minuten später herausstellt auch die Einzigen. Wir haben das komplette Hausboot für uns alleine gemietet. Ein Hausboot. Dazu eine dreiköpfige Besatzung. Kapitän, Erster Offizier und ein Koch. Für uns alleine. Das war der Moment dieser peinlichen Dekadenz. Wenn die Jungs das Boot zum Ablegen bereit machen und du nur verwundert fragst ob wir nicht noch auf andere Gäste warten – „No. It’s just you.“

Und dann eben noch das Ablegen. Wir fahren eine richtige Runde hier durch die Flusslandschaft. Das ist nicht nur eine im Wasser liegen, so wie das die Hausboote bei uns Daheim tun. Hier fahren wir richtig durch die Landschaft. Die Backwaters sind eine Flussnetz von gut 2000 Kilometern Wasserstraßen durch die Landschaft hier im Süden des Landes.

Links und rechts des Flusses finden sich ein paar Häuser und eben auch eine paar Dörfer und Straßen. Die meiste Zeit fahren wir aber durch Landschaften mit Reisfeldern. Der Fluss wird als Bewässerungssystem genutzt. Nachdem die Felder abgeerntet sind werden die Schotten zum Fluss geöffnet und das Feld erst einmal unter Wasser gesetzt. Drei Monate später werden die nicht verdunsteten Reste des Wassers abgepumpte. Der Reis reift aus. Dann wird geerntet.

Für die Ernte haben die hier sowas wie Mini-Mähdrescher. Wir sind winzig. Vielleicht so 2 Meter oder 2,5 Meter breite Schnittwerk. Aber die kleinen Mähdrescher fahren hier alle mit Kettenantrieb. Alles was größer wäre oder auf Reifen fahren würde, würde vermutlich auch einsinken. Abgeladen wird dann aber direkt in Leinensäcke. Die landen dann wieder auf den Booten und gehen zur nächsten Anlegestelle. Dort geht es mit dem kleinen LKW weiter.

Aber vor allem ist die Landschaft direkt am Fluss erst einmal etwas komplett anderes als was wir bisher in dem Land gesehen haben. Das liegt sicher zuletzt auch an der komplett anderen Perspektive. Und der komplett anderen „Belastung“ mit Menschen. So viel Freiraum und so wenig Hektik zwischen vielen Menschen hatten wir schon lange nicht mehr.

Und dann eben noch diese tolle Unterkunft. Ganz Vorne im Boot sitzt unter Kapitän und steuert das Schiffchen. Dahinter gibt es einen kleinen Aufenthaltsbereich. Überdacht aber in alle Richtungen offen. Wir haben einen kleinen Tisch mit zwei Bänken. Unser Esstisch. Es gibt aber auch noch vier gemütlichere Sessel an einem kleinen Tisch in der Mitte. Hier gibt es eine kleine Schale frischer Früchte. Frische Bananen. Die wachsen hier überall an den Ufern. Nicht die großen die wir aus dem Supermarkt kennen, sondern die kleineren, die hier am Straßenrand wachsen und nicht von der Plantage kommen.

Im mittleren Bereich gibt es dann einen Block mit zwei komplett geschlossenen Räumen. Jeder hat noch ein eigenes Badezimmer. Die Mannschaft scheint aber nicht in den Räumen zu schlafen. Das scheint nur für die Gäste zu sein.

Im hinteren Bereich, hinter den Gästeräumen gibt es dann noch die Küche und den Maschinenraum. Das musste ich mir natürlich erst einmal zeigen lassen. Die kleine Küche ist wirklich überschaubar, aber wie sich später rausstellt offensichtlich sehr effektiv. Zumindest bekommen wir schon zum Mittag eine hervorragende Mahlzeit serviert. Knusprigen frischen Fisch den sogar ich hervorragend und lecker finde. Dazu eine großartige Auswahl an Gemüse und Masala. Zum Mittagessen legen wir sogar kurz an. Der Fluss wäre auch so ruhig genug, dass wir während der Fahrt hätten essen können. Aber vielleicht zieht es hinten in der Küche und der Brenner geht aus. Ich weiß es nicht.

Unter der Küche ist der Motorenraum. Man macht nochmal die Klappe für mich auf und lässt mich den Motor bewundern. Man ist anscheinend sehr stolz auf das Boot. Auch wenn das Boot nur mit sehr geringer Fahrt unterwegs ist und keine hohe Drehzahl macht, möchte ich trotzdem nicht den Tag über dem Motor stehen müssen um dort um dort zu arbeiten. Das dröhnt schon ein wenig. Viel Isolation und Schalldämmung scheint nicht verbaut zu sein. Aber wahrscheinlich hören die das nicht mehr so.

Auf unserer Flussfahrt gibt es viel zu sehen. Erst ein wenig Fluss. Links und rechts ist nicht viel zu sehen. Es gibt keine Häuser oder Straßen direkt neben dem Fluss. Dann stehen doch nochmal ein paar Häuser am Fluss. Da scheint es eine kleine Straße zu geben. Es gibt aber auch ein paar Häuser die anscheinend nur über den Wasserweg zu erreichen sind. Dementsprechend ist hier auch viel los. Immer mal wieder fahren kleine und mittlere Boote an uns vorbei. Mal von Hand betrieben, mal motorisiert.

Dann gibt es wieder längere Strecken auf denen sich nur Reisfelder in der Landschaft erstrecken. Mal stehen die Reisfelder noch unter Wasser. Mal stehen die Felder aber auch trocken oder sind schon abgeerntet.

Hier direkt am Wasser stehen aber auch Schulen. Anstelle eines Schulbusses liegen hier Boote bei der Schule. Hier werden die Kinder mit dem Boot zur Schule gefahren und in einem Boot-Sammel-Taxi abgeholt. Wir sehen aber auch ein paar Häuser die dicht am Wasser gebaut sind und bei denen das Wasser direkt unter der Türschwelle steht. Der Wasserstand ist aktuell recht hoch.

Nach unserem kleinen Stopp zum Mittagessen fahren wir weiter die Wasserstraßen hinunter. Die schönen Sessel werden eigentlich nicht so recht von uns benutzt. Eigentlich sitzen wir viel mehr in den offenen Türen an den Seiten. Hier kann man auf der Kante sitzen und seine Beine baumeln lassen. Ins Wasser kommt man nicht ganz. Selbst mit langen Beinen nicht. Aber von hier hat man den besten Blick und die den besten Fotoplatz.

Besonders die Vogelwelt ist hier sehr spannend zu beobachten. Eigentlich hatte ich mir auch immer eingebildet ein gutes Auge für das Aufspüren von Tieren zu haben. Aber unser zweiter Offizier sieht deutlichst schneller als ich und warnt dann auch immer wo es etwas zu sehen gibt und wo es die besten Bilder gibt.

Zu Anfang sind die Eisvögel noch Highlights. Mit der Zeit verkommen die Tiere aber auch hier auf dem Fluss ein wenig zu den Springböcken von Namibia. Dann sieht man die überall. Nicht ganz so inflationär. Aber doch recht häufig. Mein persönliches tatsächliches Highlight waren aber die Flughunde. Mit bis zu 180cm Flügelspannweite und 40cm Körpergröße sind die größten Fledertiere. So häufig sind sie auch hier nicht zu sehen. Aber wir haben ein paar der Tiere hier in den hohen Kokusnusspalmen oder höheren Bananenpflanzen gesehen. Die Tiere ernähren sich von Früchten, Pollen und Nektar und sind deswegen häufig beim Essen von Bananen zu sehen. Beeindruckend große Tiere.

[hier geht es morgen weiter …. ]

cheers.
Sebastian

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