Hallo nach Humppa aus Deutschland,

Gefahren Kilometer gesamt: 1097km
Gefahren Kilometer heute: 314km

Wir melden uns aus Tirol. Genauer – aus dem kleinen Örtchen Häselgehr. Laut Wikipedia, es hat also schon mal eine Wikipedia-Seite, hat der Ort ca. 686 Einwohner. Wir sind hier in einem kleinen Gasthof untergekommen. Das Wetter sah nicht sehr beständig aus, deswegen haben wir uns heute nochmal gegen das Zelten entschieden und haben im Internet nach günstigen Zimmern in der Nähe gesucht.

Wahrscheinlich sind wir aber auch günstig an Zimmer gekommen, weil Tirol unter Motorradfahrern gerade heiß diskutiert wird. Es gibt mehrer Straßen hier in Tirol die ein Fahrfahrbot für laute Motorräder erlassen haben. So auch die Straße auf der wir unterwegs sind. Erlaubt sind nur noch Motorräder mit einer Lautstärke im Stand ( bzw, im Fahrzeugschein eingetragen ) von weniger als 95 dB(A) – was unsere Motorräder aber beide erfüllen. In dem Zuge haben aber wohl viele Motorradfahrer aus Protest und vermutlich weil deren Räder die Vorgaben nicht erfüllen ihre Buchungen storniert. Ich hab aber noch nicht nachgefragt, wie die Besitzer das hier finden.

So viel los scheint hier eh nicht zu sein. Wir hatten gerade 20 Minuten vorher online gebucht, bevor wir hier angekommen waren. Wir wurden aber gleich schon begrüßt „Sie haben gerade online gebucht? Das Zimmer ist noch nicht fertig. Wir hatten heute nicht mit Gästen gerechnet.“ Aber bisher mussten wir immerhin nicht unseren Joghurt teilen. Man ist wirklich sehr nett hier.

Gegessen wird heute Abend hier in der Wirtschaft. Sie steht scheinbar noch selber hinter dem Herd. Hausmannskost. Keine Sterneküche. Auf allem ist die gleiche Mischung aus getrockneten Kräutern aus der Dose. Aber es schmeckt auch nicht schlecht.

Die Toiletten und die Dusche sind hier auf dem Gang für alle. Da wir die einzigen Gäste zu sein scheinen, müssen wir aber nicht teilen. Die Dusche ist auch eine Art Erlebnis. Den Flurgang von dem alle Zimmer abgehen hat man einfach am Ende mit einer Trennwand etwas gekürzt. Der entstandene Raum ist mit bunt glänzender, silbernen Folie verkleidet. Es gibt so schrecklich schöne Farbmuster, je nachdem wie sich das Licht in der Folie spiegelt. In dem Räumchen steht ein Tisch und eine Plastikduschzelle als komplett Bauteil. Das Plastikduschbauteil ist auch nicht so richtig verschraubt. Man kann das noch bewegen. Eigentlich sollte das sicher in einer Raumecke fest verbaut sein. Aber hier steht es mehr so lose im Raum. Dafür aber mit Duschbrause. Regentropenduschkopf und mit Massagedüsen an der Seite. Aus dem Ottokatalog bestellt – vor 10 Jahren – „das will ich haben“. Und schon steht es da. Ist aber sauber. Kommt Wasser raus. Nach 10 Minuten auch warmes Wasser. Und das läuft wieder ab. Was will man mehr.

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Distance: 0km

Frühstück gab es heute morgen nicht. Wir haben also unsere Sachen zusammengepackt und nochmal schön am Marktplatz in Kempten gefrühstückt. Latte Macchiato, Schoko-Croissant und eine Leberkäs-Semmeln zum Mitnehmen. Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass wir auf einer Tour so richtig Frühstücken waren. Zumindest wenn das Frühstück nicht mit inberiffen ist, dann haben wir Frühstück meistens eher bei Aldi gemacht oder eben irgendwie im Supermarkt unterwegs. Weil unsere Position Live im Inter einzusehen ist, kam natürlich aus der Heimat noch postwendend der Kommentar geschickt, wir sollen nicht so lange Frühstücken. Egal. Dann ganz gemütlich noch ein wenig in der Sonne sitzen bevor wir mit dem nächsten Glockenleuten auf den Motorrädern saßen. Die Kirchenglocken haben wirklich geläutet. Das war das offizielle Startsignal zur diesjährigen Tour.

Die Kirche macht hier scheinbar gerade Schichtbetrieb. Die ersten Kirchenglocken haben mich noch geweckt gegen 08:20 Uhr. Beim Bäcker endete dann eine Messe und wir hatten Glück, dass wir gerade noch vor den Kirchenbesuchern beim Bäcker an der Reihe waren.

Dann ging es endlich los. Nach mehreren Monaten in Corona Quarantäne endlich wieder auf einer richtigen Motorradtour. Was hab ich mich gefreut. Natürlich war das nicht ansatzweise ein schlimme Gefängnis und Jammer auf allerhöchstem Niveau, aber ihr wisst was ich meine.

Es geht in Richtung Lichtenstein. Wie wir gestern erschreckend festgestellt haben, oder viel mehr ich für mich, war ich noch nie in Lichtenstein. Bisher sind wir mit dem Touren immer drum herum gefahren. Nicht das man soo viel verpasst hätte, aber so war ich freudig überrascht dieses Jahr tatsächlich noch ein neues Land mit in die Liste aufzunehmen. Damit hatte ich einfach nicht gerechnet.

Zurück zum Motorradfahren: ach ist das schön. Schon die ersten Kilometer und über Land im Allgäu und dann natürlich auch über die ersten Dörfer in Österreich sind so schöne Motorrad Strecken. Grüne Wiesen in den Hügel und lange kurvige Straßen über die man gemütlich mit dem Motorrad pendeln kann. Es macht einfach so viel Spaß. Und hatte ich schon mal erwähnt wie klasse es ist sich dabei noch unterhalten zu können? Das wir dieses Bluetooth Intercom nicht vorher schon hatten!? Eine richtig tolle Erfindung. Und ich bin echt überrascht von der Sprachqualität. Und das trotz der ganzen Fahrwindgeräusche die es geben müsste. Und heute im Härtetest. Der Akku hält auch bei permanenter Unterhaltung einen ganzen Motorradtag durch. Abends zwei Stunden zum Laden an den Laptop und schon wieder komplett voll. Gut investiertes Geld.

Mit dem Wetter hatten wir ebenso den ganzen Tag Glück. Wir sind komplett trocken durchgekommen. An Temperaturen haben wir aber so ziemlich alles mitgemacht heute. Als wir unser Zimmer betreten haben, habe ich erstmal den E-Heizer an der Wand abgeschaltet. Inzwischen ist mir fast etwas kalt hier auf dem Zimmer. Zum Schlafen aber gut. Gestartet sind wir heute morgen bei entspannten 17°C und Sonne. Also beste Bedingungen. Wir haben es dann ja tatsächlich noch nach Lichtenstein geschafft, um hier einmal vorzugreifen. Dort bin ich bei 25°C vor dem Supermarkt schon leicht geschmolzen in den dicken Klamotten. Oben auf unserem ersten Pass ging es dann wieder runter auf 12°C. Aber toi toi toi. Alles komplett ohne Regen. Ab und an etwas Feuchte auf der Straße in den Tunneln. Mehr aber nicht.

Zurück zur Storyline. Aus Deutschland ging es schön weiter übers Land durch Österreich. Tolle griffige Straßen und ein gemütliches Pendeln durch die Dörfer. Bis dann das Navi irgendwann am Ende einer Straße gerade aus über den Fluss will, dir aber dicke Betonblöcke und ein Schild zu verstehen geben, dass es hier nicht weiter geht.

Es übernimmt also das zweite Navi die Führung. Wir umfahren den Part und kommen irgendwann in der nächsten Stadt an. Navi ein hat sich wieder sortiert und wir folgend wieder Navi eins. Irgendwann stehen wir dann fast wieder vor der gleichen Sackgasse die durch den Fluss will. Zum Glück gibt es aber noch einen dritten Weg wieder zurück, den wir noch nicht kennen. Ein paar mehr Kilometer machen ja auch nichts.

Es geht vorbei an Bregenz mit einer Aussicht über den Bodensee. Und irgendwann haben wir das Schild mit der Grenze zur Schweiz vor uns. Also fahren wir doch noch ein paar Kilometer durch die Schweiz. Die ursprüngliche Strecke in der Planungssoftware hatte die Schweiz nicht mit drin. Aber das Navi hat da irgendwie noch einen Schlenker eingebaut. Grenzkontrollen gibt es auch hier nicht mehr. Es steht aber ein Grenzbeamter am Übergang und guckt nach dem Rechten. Der muss sich aber auch ziemlich doof vorkommen, wenn er sich die nächsten kleineren Übergänge ansieht. Da steht nämlich keiner mehr. Und so geht es nach ein paar Kilometern auf der schweizer Seite des Rheins – der Teil der den Bodensee südöstlich speist – wieder zurück auf die österreichische Seite. Und das auch nur für ein paar Kilometer, denn schon sind wird in Lichtenstein. Da könnte man also sagen, habe wir in 20 Minuten drei Länder besucht. Und das inklusive einer Pause, in der ich meine Leberkäse Semmeln von heute morgen gegessen habe.

Den genauen Status und die politischen Verwicklungen von Lichtenstein muss ich mir aber nochmal im Detail ansehen. Direkt hinter der Grenze werden auf der Straße in allen europäischen Länder die Regeln das Landes angezeigt. Also wie schnell darf ich in einem Ort und außerhalb fahren. Hier Stand ein Schild mit den Regeln von Lichtenstein UND der Regeln der Schweiz. Ja, man ist sehr schnell durch das Land hindurch. Aber so schnell das man gleich die schweizer Verkehrshinweise anzeigt?

Was uns auffällt wenn man ein paar Kilometer durch Lichtenstein fährt – die haben echt viele Störche hier. Ich habe bei uns zu Hause im Norden eigentlich seit Jahren schon keine Störche mehr gesehen. Und wenn dann nur noch einzelne Tiere. Hier haben wir auf 2 Kilometern sicher 20 Tiere gesehen. Das letzte Mal habe ich so viele Störche in Rumänien gesehen.

Ansonsten unterscheidet sich Lichtenstein hier landschaftlich nicht von den letzten Kilometern von Österreich oder der Schweiz. Unsere abgesteckte Tour führt zufällig an einer kleinen alten Burg vorbei. Wir steigen für einen kleinen Fotostopp und Pause ab. Besichtigen kann man die Burg aber nicht. Weil die Weiterfahrt auf der Straße gesperrt ist, drehen wir hier wieder um. Das wird also der westlichste Punkt unserer Tour schon gewesen sein. Es hat immerhin gereicht um halb Lichtenstein zu durchqueren. Ein Land mit gerade einmal 38.000 Einwohnern.

Die Geschäfte haben aber sonntags geöffnet. Zumindest ein paar COOP Läden. Also gibt es Waffeln und Wasser. Den inzwischen ist echt echt warm geworden. 25°C sagt das Thermometer beim Warten auf dem Parkplatz. Immer viel trinken. Aber lieber ein klein wenig schwitzen, als mit nassen Klamotten und bei schlechter Sicht durch die Kälte fahren.

Weiter geht die Tour. Vorbei am Welthauptquartier von Hilti. Also mindestens einen Weltkonzern, der hier seinen Hauptsitz hat. Laut Wikipedia beschäftigt Hilti 1.500 Personen in Lichtenstein, das entspricht entspricht was 4% der Gesamtbevölkerung des Landes (38.650). Oder nach einer anderen Statistik ca 6,5% der Bevölkerung im Erwerbsfähigen Alter. Weltweit beschäftigt Hilti ca. 30.000 Menschen. Das wären gut 78% der Gesamtbevölkerung des Landes oder rund 117% der erwerbsfähigen Personen Lichtensteins. #FunFacts.

Nach Lichtenstein geht es wieder weiter durch Österreich. Erst einmal so ziemlich in die gleiche Richtung aus der wir gekommen sind. Irgendwann misstrauen wir Navi 1 und verlassen uns auf Navi 2. Navi 1 überspringt große Teil der Strecke in Österreich und will eine Abkürzung durch Deutschland nehmen. Man darf sich halt nicht auf die Technik verlassen. In diesem Teil Österreichs ist so einiges auf dem Motorrad unterwegs. Man kommt gar nicht mehr zum Grüßen aller Biker.

Und dann kommt endlich auch der erste Pass der Tour. Noch ganz entspannt. Aber man hat hier eine so tolle Aussicht. Eine Pause hier oben macht einfach mit der Aussicht noch mehr Spass.

Das mit den vielen Motorradfahrern ändert sich dann aber auf den letzten Kilometern auf den Tiroler Straßen. Das mag an der Uhrzeit liegen, dass um 17 Uhr schon alle wieder zurück im Hotel sind. Oder die oben beschriebenen Motorradmaßnahmen zeigen auch hier Protestauswirkungen. Uns ist es egal. Wir dürfen ja noch. Und Anwohner kann ich auch sehr gut verstehen, wenn ich die ein oder andere Rennsemmel so an mir vorbeischreien höre.

Morgen geht es dann nach einem Frühstück hier im Haus weiter. Wir steigen gleich in den Bergpass ein. Immer weiter rein nach Österreich. Mal gucken wie viele Schleifchen wir morgen drehen. Oder wie stark ich morgen schwitzen muss.

cheers.
Sebastian

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