Hallo und Humppa nach Deutschland,
gefahrene Kilometer heute: 377 km (Bahn-Kilometer zählen nicht mit)
gefahrene Kilometer gesamt: 1370 km
ich melde mich heute aus Bosnien und Herzegowina. Bei der letzten Reise 2019 bin ich hier nur einmal ganz kurz durch den Küstenzipfel gehuscht. Wie sich heute rausstellen sollte, eine ganz große Verschwendung. Aber der Reihe nach.
Gestern habe ich tatsächlich gefroren bis ich regelrecht gezittert habe. So angenehm waren die 10°C und der Regen auf die gesamte Distanz. Da war ich entsprechend sehr froh, dass ich mich in meiner Kabine ausbreiten konnte. Es blieb dabei, dass ich meine Kabine für mich alleine hatte.
Heute sahen die Temperaturen dagegen ganz anders aus. Ich hatte meine Sachen noch nicht mal nach dem Zug auf dem Bahnsteig abgestellt. Da lief mir schon das Wasser. Um mich herum die Touristen in T-Shirts, Shorts und Badezeug. In Split hatte es heute knallige Sonne und als wir gegen 10:30h dort waren dann auch schon fast 25°C. In diesem Fall eine sehr angenehme Umstellung.
Wenn man an dem Autoverladebahnhof in Split ankommt, dann werden die Autos bzw. Motorräder auf einem öffentlichen Bezahlparkplatz abgeladen. Daher kommt dann auch der Parkplatzwart zeitnah und ermahnt jeden, dass man nach dem Abladen nur noch 10 Minuten Zeit hat.
Also erstmal alles schnell verladen und dann los. Schnell, so schnell es eben geht. Hier sind die Senioren mit dem Abladen der Motorräder beauftragt. Da scheint jede Bewegung weh zu tun. Das dauert also eine ganze Weile, bis auch die hinteren Motorräder entzurrt sind und ich herunterfahren darf. Fast eine Stunde muss ich warten. Das Innenfutter der Jacke habe ich da schon geschafft raus zu nehmen. Aber die Hose wollte ich auf dem Platz nicht runter lassen. Das mache ich dann später hinter einer Häuserecke in der Stadt.
Split ist wirklich eine schöne Stadt. Und für Ende September ist hier wirklich Bombenwetter. Der Strand ist noch sehr belebt und auch das Wasser. Es sind noch einige am Baden. Und selbst seit meiner letzten Durchreise haben die hier im Aufbau nochmal Gas gegeben. Also Mallorca finde ich, sieht kaputter aus als das, was ich hier gerade beim Durchfahren sehe.
Dann geht es erst einmal auf dem schnelleren Wege raus aus der Stadt und hinein in das Hinterland und die Berge in Richtung Bosnien und Herzegowina.
Schon auf der Strecke wird es richtig, richtig schön. Willkommen in den Winnetou Landschaften. Mehr schöne Berge und garge Landschaften. Weniger Menschen. Und schon am Grenzposten. Erst die Ausreise aus Kroatien, Pass und die Motorradpapiere bitte. Direkt vor mir in der Reihe war einem Mann noch sein Auto abgesoffen und wollte nicht starten. Er die Motorhaube auf und signalisierte mir, dass es gleich weiter gehen würde. Klappe zu. Versucht zu starten. Geht nicht. Gleiches Spiel von Vorne. Das dann drei Mal. Dann sprang das Auto auch an.
Hinter der Ausreise kommt 100m weiter das Einreisehäusschen nach Bosnien und Herzegowina. Als ich dort anhalte und meinen Pass zeigen will guckt der junge Beamte nur widerwillig von seinem Telefon hoch. Was ich denn wollte?! – „You can go.“
Jetzt bin also in Bosnien und Herzegowina. Schon das sechste Land in den zwei Reisetage. Guter Schnitt (Deutschland -> Tschechien -> Österreich -> Slowenien -> Kroatien -> Bosnien und Herzegowina).
Eigentlich hatte ich extra vorher eine SIM Karte besorgt, die in allen Ländern meiner Tour funktionieren sollte. Damit sollte eigentlich meine GPS Position Live übertragen werden. Funktionieren tut das aber leider nicht. Irgendwie habe ich hier in Bosnien und Herzegowina zwar Empfang, aber kein Internet auf dem Telefon. Ich bin also auf das WLAN im Hotel angewiesen. Mal gucken, ob ich noch was herausfinden kann. Sowas ärgert mich ja.
Wenn man hier durch die Gegend fährt, dann riecht es an fast jeder Ecke nach Feuer oder Grill. Irgendwie wird hier ständig etwas verbrannt. Entweder verbrennt jemand Abfälle im Garten oder es steht irgendwo ein Grill auf dem gerade etwas gegrillt wird. Aber irgendwie habe ich hier immer Feuer oder Rauch in der Nase.
Ich hatte mir vorher die Webseite des Auswärtigen Amtes angesehen, vor allem für Einreise-Bedingungen und allgemeine Hinweise. Für Bosnien und Herzegowina war u.A. der Hinweis vermerkt, sich in vielen Regionen nicht zu sehr von den befestigten Wegen zu entfernen. Es besteht immer noch die Gefahr auf alte Landminen zu treffen. Wenn ich hier durchkomme, habe ich nirgendwo das Gefühl, dass sich da hier irgendjemand Gedanken drüber macht. Das Risiko muss ich trotzdem nicht eingehen. Aber hier habe ich heute eh gerade nicht vor Wandern zu gehen. Auch wenn die Ecke echt dazu einlädt.
Offiziell hat Bosnien keine eindeutige Amtssprache. Praktisch gesprochen werden hier Bosnisch, Serbisch und Kroatisch. Wobei sich die Sprachen wohl soweit ähnlich sein sollen, dass man sich problemlos untereinander unterhalten kann. Bosnisch und Serbisch nutzen neben dem lateinischen auch das kyrillische Alphabet. Deswegen sieht man hier ganz vielen Schildern neben lateinischen Bezeichnungen auch kyrillische Schrift.
Was noch auffällt: Die Autos. Also ich halte Deutschland für deutlich vermögender, ich denke ich muss dafür nicht mal in die offiziellen Zahlen gucken. Das durchschnittlich teurere Auto fährt allerdings hier herum. Was hier tatsächlich an großen und damit meine ich vor allem teuern PKW fährt, fällt schon wirklich ins Auge. Selbst auf den kleinsten Dörfern und den kleinsten Straßen fahren hier die dicksten Schlitten durch die Gegend.
Dann werde ich vermutlich noch Zeuge wie hier jemand kleine Hunde aussetzt. Ich biege gerade in eine Kurve ein, da fährt vor mir ein Auto von einem Parkplatz los. Kaum ist das Auto weggefahren laufen dahinter zwei kleine Hundewelpen über den Parkplatz, wo gerade noch das Auto stand. Keine Ahnung ob das Auto angehalten hatte um die Hunde zu streicheln ( dafür waren die vielleicht noch zu klein, als das die da schon alleine herumliefen ), oder die haben die Welpen da eben gerade ausgesetzt.
Ohnehin sieht man viele streunende Hunde hier. Immer wieder laufen hier in der Nähe von Städten und Dörfern Hunde über die Straße.
Dann komme ich in die Bergregion um den Berg Bjelašnica. Ist das großartig hier. Insgesamt habe ich heute eine unglaubliche geniale Strecke rausgesucht. Wer hier mal eine Runde fahren will, der kann sich die Strecke gerne direkt zum Nachfahren hernehmen. Es ist einfach alles dabei.
Hier in der Region um den Bjelašnica (Dinarischen Gebirges) hat es ein bisschen was von den französischen Hochalpen. Nur nicht so hoch. Felsig, karg. Etwas Gras für Schafe. Hier oben gibt es tatsächlich aber immer mal wieder kleine Hütten und hier laufen auch noch Schäfer umher, die hier ihre Schafsherden weiden lassen. Das sieht auch so aus, als würden die dann Nachts in diesen kleinen Hütten übernachten. Verschlag trifft es vielleicht eher als Hütte.
Es ist auf jeden Fall sehr genial hier. Und weil es nicht so sehr hoch ist, fährst du hier auch nicht nur sehr scharfe Serpentinen, sondern mal engere Kurven und aber auch viel weitere Kurven zum herrlichen Pendeln in den Bergen. Es ist nur großartig.
Nach den kargen Hochlandschaften kommen nochmal ein paar tolle Täler. Das bekommt auch Österreich nicht besser hin. Tiefe grüne Täler mit tollen Flüssen an denen du entlang fährst. Hatte ich erwähnt wie großartig das hier ist?
Irgendwann komme ich in einem Dorf raus. Vor mir ein verlassenes Hotel. Eine Ruine. Im Kreisel steht noch ein großes Schild – die olympischen Ringe. 1984 fanden hier Teile der olympischen Winterspiele statt. Damals war das hier noch Jugoslawien. Hier fanden die Ski Wettkämpfe der Herren statt. Man kann noch eine alte Schanze erkennen. Von den damaligen Wettkampfanlagen werden heute aber keine mehr verwendet. Es wurden alle durch den Bosnienkrieg beschädigt. Keine Ahnung ob das auch heute noch ein aktives Skigebiet ist?
Ich hatte mir zu Hause schon mal grob einen Tagesplan der Tour für heute und Morgen überlegt. Ich hatte auch schon einmal grob geschaut ob und was es für Unterkünfte gibt. Weil ich jetzt ja kein Internet habe, kann ich leider nicht wie üblich Nachmittags ein Hotel für den Abend buchen. Also fahre ich eben auf Verdacht meine Tagestour und halte Ausschau nach dem Hotelnamen, den ich noch vage im Hinterkopf habe.
Und tatsächlich komme ich zufällig an dem Hotel vorbei, das noch deutlich außerhalb der Stadt liegt die ich anfahre. Heute steige ich im Hotel Casablanca ab. Das klingt irgendwie romantischer als es ist. Das mag aber auch nur an den Gechmäckern liegen.
Das Hotel ist erstmal nicht besetzt. Gehört aber irgendwie offensichtlich zum gleichnamigen Restaurant nebenan. Also gehe ich da rein. Werde sehr nett empfangen. Bekomme gleich erstmal ein Wasser mit dem Schlüssel zu meinem Zimmer überreicht. Ich werde auch gleich gefragt, ob ich noch eine Garage zu meinem Motorrad brauche. Das nehme ich gerne an.
Also kurz die Koffer abladen, dann das Mopped in die Garage. Und da steht schon ein ziemlich krass hochgezüchteter AMG mit allem Zipp und Zapp. Also dem Laden muss es sehr gut gehen. Das Auto müsste so viel kosten wie die ganze Immobilie hier.
Ausgepackt. Eingerichtet. Weißer Marmor Boden. In jedem Flur bunte LED leisten installiert, sodass hier in jedem Gang bunte Disco angesagt ist. Das Zimmer ist sehr schön, sehr sauber. Alles herrlich. Und das für 35€ inkl. Frühstück. Was will man mehr.
Zum Abendessen gehe ich auch rüber ins Restaurant. Viele verwinkelte Räume und eine große Terasse. Hier müssen ein paar hundert Leute reinpassen, wenn man wollte. Es verläuft sich, aber es sitzt auch in jeder Ecke jemand. Für sagenhafte 10 EUR bekomme ich hier den gemischten Grillteller – bei uns eben der Balkanteller. Randvoll mit Fleisch und Pommes. Dazu noch ein randvoller Korb Brot. Ich schaffe nicht alles.
Ich kugele zurück in mein Zimmer. Ein mehr als voller Bauch. Einen Tag frische Luft. Eine richtig geniale Strecke und jetzt ein schönes Bett. Gute Nacht.
cheers.
Sebastian


