Tag 9, Kyoto. Leider erfüllt sich wieder die Wetterstatistik, nach der es jeden dritten Tag regnet. So auch heute. Aber wie bisher auch, ist es ein gemütlich leichter bis mittlerer Regen ohne Wind. Deswegen können die ihre Seitenwände und Türen in den Tempeln auch mit Papier beschichten. Die kennen keinen Regen von der Seite so wie wir.

Heute ging es u.a. zum Nijo Castle, das zeitweise als Kaiserpalast genutzt wurde. Inzwischen kann man es vollständig besichtigen. Trotz Regenwetter wurden die Touristen mit Bussen dorthin geschleppt. Dementsprechend voll war es. Interessant zu sehen, dass aber auch ein Kaiserpalast nur aus jeder Menge großzügiger Räume mit Papierwänden und dem gleichen, mit Bambusmatten bedeckten, Holzfußboden besteht. Nicht zu vergleichen mit dem Mitteleuropäischen Burgen.

Trotz des Regens tragen viele Japaner in Kyoto und Tokyo allerdings Mundschutz. Ich würde schätzen ca. 5%-8% der Leute tragen hier auf der Straße die Haube vor dem Gesicht. Quer durch alle Schichten und in jedem Alter. Bei den Japanern ist dies allerdings nicht aufgrund der hohen Feinstaubbelastung wie in China der Fall oder gar eine Angst nach Fukushima. Vielmehr ist das eine Mischung aus Angst vor Krankheit und gleichzeitig Höflichkeit im Krankheitsfall.

In Kyoto ist es irgendwie viel leichter sich zurecht zu finden. Der innere Stadtteil ist ähnlich wie die amerikanischen Großstädte in einem schönen rechtwinkligen Raster aufgebaut. Leider sind die Straßennamen nicht auch so einfach, aber in diesem rechteckigen Muster findet man immer schnell den richtigen weg. Zur Not kann man Querstraßen abzählen um irgendwo gezielt hinzugelangen. In Tokyo war das nicht der Fall. Hier verliefen die Straßen ähnlich kreuz und quer und mit Kurven wie bei uns.

Dabei hat weder Tokyo noch Kyoto einen richten Stadtkern – ein echtes „Downtown“. Alles erstreckt sich über die gesamte Stadt. Hier und dort gibt es immer mal wieder kleine Ballungszentren mit mehr Geschäften oder Bürogebäuden o.ä. Damit einher gehend gibt es aber auch keine „soziologischen Stadtteile“. Eine Unterscheidung zwischen armen und reicheren Stadtteilen ist nicht ansatzweise so stark ausgeprägt wie bei uns. Hier kann in jedem Stadtteil der Maserati vor der Tür stehen ( alles gesehen ).

Einzig die breite der Auffahrt unterscheidet hier zwischen Arm und reich. So unglaublich häßlich diese Kastenwagen von Daihatsu, ISUZU und wem nicht alles sind, hier werden die von jedem gefahren, weil sie einfach den entsprechenden Platzvorteil bieten. Über das was wir noch als „Stadtwagen“ bezeichnen weil wir Parkplatzprobleme hätten, lachen die sich hier noch tot.

Gerade in Kyoto herrscht das gleiche Prinzip wie in den USA vor. Die meisten Straßen in der Stadt sind Einbahnstraßen. Immer abwechseln in die eine oder andere Richtung. So brauche ich nicht immer zwei Spuren plus Bürgersteig. Die meisten Straßen sind gerade mal 3m breit. Davon geht noch der Fußweg ab, und da einfach sehr viele Leute zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, braucht es einfach schmale Fahrzeuge. Aber es wird auch einfach deutlich vorsichtiger gefahren als bei uns. Und gehupt wird eigentlich nie.

Es sei denn, dass ein älterer Herr bei rot über die Ampel geht. Was ich sonst in diesem Land noch nicht gesehen habe. Auch wenn die Straße nur 1,5m breit ist und kein einziges Fahrzeug zu sehen ist. Wenn dort eine Ampel steht und rot anzeigt, geht hier keiner über die Straße. Ich habe mich entsprechend angepasst und habe das auch nicht ein einziges mal getan. Ich bin ja auch im Urlaub und habe Zeit.

Man hat hier insgesamt auch einfach mehr Zeit und mehr Geduld. Wenn ich mir die ganzen kleinen Ladenbesitzer in den Seitenstraßen ansehen, bei denen es ohnehin häufig schwer zu erkennen ist ob oder was dort angeboten wird, sieht man ganz häufig gerade ältere Japaner hinter einem Tresen sitzen und ruhig auf potentielle Kundschaft warten. Manchesmal scheinen sie aufzuschrecken wenn ich um die Ecke komme und einen flüchtigen Blick in das Schaufenster werfen, als würden sie sich über einen potentiellen Kunden freuen und schon fast aufspringen. Aber spätestens nach der Schrecksekunde realisieren sie das Touristische und setzen sich wieder enttäuscht hin.

Morgen werde ich noch ein paar Meter in Kyoto verbringen, dann geht es wieder zurück nach Tokyo. Die Heimreise ist leider dichter dran als die Anreise …

cheers.
Sebastian

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